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Primär Schmerz reduzierende Verfahren

Bei normal ängstlichen Patienten kommen hauptsächlich die Schmerz reduzierenden Verfahren mit Ausnahme der Narkose zum Einsatz. Ihre Anwendung wird durch den Umfang der zahnärztlichen Therapie und damit durch das Ausmaß der zu erwartenden Schmerzen bestimmt.

Medikamentöse Verfahren

Zur Schmerzausschaltung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde steht die Lokalanästhesie durch Leitungs- und Infiltrationsanästhesie im Vordergrund. Die Einführung der Lokalanästhetika hat den Berufsstand des „Zahnreißers“ früherer Jahrhunderte entscheidend beeinflußt und ihm einen Großteil seines Schrecken genommen.

Heute dominiert in Deutschland im Bereich der Zahnheilkunde ein Amidtyp-lokalanästhetikum, das Articain. Es wurde erstmals 1970 zur klinischen Prüfung freigegeben und überzeugte vor allem durch seine für damalige Verhältnisse niedrige Suprarenindosierung von 1:100000. In der Medizin ist diese Substanz weitestgehend unbekannt.

Hier wird vor allem das Lidocain verwendet, das auch im angloamerikanischen Raum in der Zahnheilkunde favorisiert wird. Articain unterscheidet sich von diesem durch einen endständigen lipophilen Thiophenring und wird in der Zahnheilkunde als 4% ige oder 2% ige Lösung appliziert (Lipp 1988 a). Übersichtsartikel von Knoll-Köhler (1988 a+b) vermitteln anschaulich pharmakologische Eigenschaften, Indikationen, Kontraindikationen und Komplikationen der gebräuchlichsten Lokalanästhetika und ihrer vasokonstriktorischen Zusätze.

Bei normal ängstlichen Patienten wird in der Regel eine lege artis gesetzte lokale Anästhesie für alle zahnärztlichen Eingriffe ausreichend sein. Vor allem bei Kindern und Patienten, die vor der Injektion Angst haben, ist eine Oberflächenanästhesie vor dem Einstich hilfreich.

Aber auch die Ausübung von Druck beispielsweise mit dem Mundspiegel direkt vor der Injektion an der prospektiven Einstichstelle führt zu einer geringeren Schmerzperzeption während des Einstichs. Der Einsatz von Injektionsgeräten, die äußerlich nur wenig Ähnlichkeit mit der herkömmlichen Spritze haben, können ebenfalls sehr nützlich sein und ermöglichen häufig bei kindlichen und ängstlichen Patienten die gefürchtete Injektion.


Nicht medikamentöse Verfahren

Obwohl die zahnärztliche Therapie unter Lokalanästhesie nicht mehr mit Schmerzen assoziiert sein muss, fordern vor allem Patienten mit einer isolierten Spritzenphobie eine Alternative zur lokalen Anästhesie. Die Angst vor dem Einstich der Spritze spielt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. In einer Umfrage von Wardle (1982) sollten Patienten einer Zahnklinik angeben, wie ängstlich sie vor verschiedenen zahnärztlichen Maßnahmen sind.

Dabei lag die Anästhesie hinter der Extraktion auf dem 2. Rang, gefolgt von der Präparation und der Füllungstherapie. Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer wieder verschiedenste Methoden, wie z. B. die Audioanalgesie, Akupunktur und die transkutane Elektronervenstimulation, hinsichtlich ihres analgetischen Effekts untersucht wurden. Erhöhungen der Empfindungsreizschwelle nach pulpaler elektrischer Reize an Zähnen konnten unter TENS (Wilder-Smith, 1990, Jöhren 1998,), Akupunktur (Mumford 1973, Kampik 1991) und Audioanalgesie (Weißenborn 1985, Standley 1986, Klages 1998) beobachtet werden.

Dennoch besteht bis heute keine Einigkeit, ob es sich bei der Dämpfung der Schmerzperzeption durch Einsatz dieser Verfahren um einen Ablenkungseffekt von den Umgebungsgeräuschen und den Schmerzen der Zahnbehandlung handelt, um einen Placeboeffekt, oder um eine Spielart der Hypnose oder von Entspannungstechniken. Auch der unsichere Umgang mit eindeutig definierten Begriffen wie Analgesie, Anxiolyse, Schmerzrezeption und Schmerzperzeption zeigt, dass die wenigsten Studien dem komplizierten Aufbau des schmerzverarbeitenden Systems Rechnung tragen.

Zur unterstützenden Behandlung von ängstlichen Patienten kann die Begleitung der zahnärztlichen Behandlung durch audiovisuelle Reize (Musik, stehende und bewegte Bilder) empfohlen werden. Ihr alleiniger Einsatz bei der Behandlung von Phobiepatienten ist jedoch abzulehnen, da nach eigenen Erfahrungen der Einsatz von Musik nicht ausreicht, um eine Behandlung in Lokalanästhesie als Alternative zur geforderten Allgemeinanästhesie zu ermöglichen.

Aufgrund der interindividuellen Unterschiede und der fehlenden Zuverlässigkeit bei der Schmerzdämpfung stellt auch die Akupunktur und die transkutane elektrische Nervenstimulation bei ängstlichen Patienten und Phobikern keine Alternative zur Lokalanästhesie dar. Lediglich bei isolierten Spritzenphobikern kann TENS bei kleineren restaurativen und konservierenden Maßnahmen indiziert sein.