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Objektive Verfahren

Vorwiegend im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen werden objektive Verfahren zur Erkennung von Angst eingesetzt:

Diese wurden vor allem deshalb untersucht, weil einige Pharmaka einen anxiolytischen Effekt zeigten. So konnte Giannini (1983) bei Patienten mit Panikattacken einen erhöhten Serotoninspiegel im Blut nachweisen. Seine Untersuchungen basierten auf dem Wissen, dass Benzodiazepine einen zentralen Effekt auf das inhibitorische GABA-System zeigen, wodurch die zentrale Wirksamkeit des Serotonins gehemmt wird.

Durch Aktivierung des Sympatikus in Stress und Angstsituationen, kann der Anstieg der Blutkonzentration von Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin ein Hinweis für eine Angstreaktion sein. Diese Substanzen sind allerdings angstunspezifische Indikatoren, da ein Konzentrationsanstieg beispielsweise auch im Zusammenhang mit Depressionen verzeichnet wurde (Müller 1986).

In den meisten Lokalanästhetika, die in der Zahnheilkunde verwendet werden, sind ebenfalls Epinephrin und Norepinephrin als Zusätze vorhanden, so das nach der Anästhesie ein Konzentrationsanstieg im Blut nachzuweisen ist (Knoll-Köhler 1988).

Für zentralnervöse Indikatoren wie dem Elektroencephalogramm fehlen Untersuchungen, die gleichzeitig subjektiv-verbale Angstindikatoren erfassen, um Zusammenhänge zwischen diesen beiden Ebenen nachzuweisen.

Darüber hinaus ist die Anwendung dieser Verfahren für die zahnärztliche Praxis aufgrund des materiellen Aufwandes ohne Relevanz.

Den sensibelsten physiologischen Indikator zur Erfassung von Anspannung, Stress und Angst stellt die Pulsrate dar. Ein Ansteigen der Pulsrate kann durch den eigentlichen Angst auslösenden Stimulus, d.h. durch die Konfrontation mit dem Angst erregenden Objekt oder der Situation (in vivo Konfrontation, Sartory 1977), durch bildliche Darstellung des Reizes (Sartory 1986) oder durch bloße Vorstellung des Reizes (in sensu Konfrontation, Lang 1970) nachgewiesen werden.

Die Pulsratenbeschleunigung korreliert sehr hoch mit der subjektiv eingeschätzten Angst auf einem „Angstthermometer“ (r=0.82, Sartory 1990). Sie eignet sich damit gut zur Messung der Veränderung der Angst und ist vor allem ein Parameter, mit dem verschiedene Interventionen auf ihren anxiolytischen Erfolg überprüft werden können.

Weitere objektive Verfahren stellen z. B. die Veränderung der Muskelaktivität als Angstindikator (Hare und Blevings 1975) und auch die Bestimmung des Palmar-Sweat-Index, mit dem die Aktivität der Schweißdrüsen in der Handinnenfläche gemessen wird, dar (Kleinknecht und Bernstein 1978).

Dhom-Frerking und Sergl (1989)konnten nachweisen, dass zwischen den erhobenen graphomotorischen Daten (Schriftbild) und anderen peripheren physiologischen Daten, wie Puls und Schweißsekretion, ein deutlicher Zusammenhang besteht.

Ein Vergleich der erhobenen Parameter zwischen Antizipationsphase und Konfrontation mit dem Stimulus Zahnbehandlung zeigten bei über 75 % der Versuchspersonen zum Zeitpunkt der Konfrontation eine reduzierte Flächenausdehnung des gesamten Schriftbildes und eine geringere Schriftgröße.


Will man die Angst vor einer Zahnbehandlung praxisrelevant erfassen, um die Therapieplanung auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten einzustellen, sind die bisher aufgeführten Angstindikatoren jedoch nicht praktikabel, da sie - sehr unspezifisch sind und meistens eine zur Beurteilung nötige individuelle Ausgangsgröße (Baseline) fehlt, - ihr Erfassungsaufwand für die zahnärztliche Praxis zu groß ist und – erst in der Konfrontation mit dem Angst auslösenden Stimulus als Indikator herangezogen werden können.

Aus diesem Grund werden im Rahmen der Patientenversorgung meistens objektivierbare Verhaltensbeurteilungen oder subjektiv-verbale Verfahren zur Erhebung der Zahnbehandlungsangst eingesetzt. Bei der Einschätzung der Zahnbehandlungsangst kindlicher oder geistig behinderter Patienten kann die Einschätzung des Verhaltens mittels standardisierter Klassifikationen von Nutzen sein. Eine häufig eingesetzte Verhaltensbeurteilung stellt die Klassifikation nach Frankl (1962) dar:

Gerade die Angsterkrankung lässt sich häufig aufgrund von Verhaltensbeobachtungen von der normalen, nicht pathologischen Angst abgrenzen. Wardle (1982) konnte zeigen, dass Patienten, die in den letzten Jahren nicht regelmäßig beim Zahnarzt waren, über größere Angst berichteten als diejenigen, die regelmäßig den Zahnarzt aufgesucht hatten.

Somit kann auch die Frage nach dem Vermeidungsverhalten ein Hinweis für das Vorliegen einer Angststörung geben. Slovin (1997)definierte sogar die Phobie als die Summe aus großer Angst und Vermeidung der Zahnbehandlung. Demnach kann auch eine hohe Anzahl nicht eingehaltener Behandlungstermine ein wichtiger Hinweis für das Vorliegen einer Zahnbehandlungsphobie sein (Ingersoll 1987).

Diese Hinweise können von entscheidender Bedeutung bei der diagnostischen Abgrenzung zwischen normaler Angst und Angsterkrankung sein, da einige Patienten sich ihre Angsterkrankung nicht anmerken lassen wollen. Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass in einer Verhaltensuntersuchung von Kleinknecht und Bernstein (1978) nachgewiesen werden konnte, dass sich das Verhalten von hoch ängstlichen Erwachsenen im Behandlungsstuhl nicht von dem weniger ängstlicher Patienten unterscheidet.

Unterschiede hingegen ergaben sich im Wartebereich, wenn sich die Patienten unbeobachtet fühlten. Ängstliche Probanden zeigten hier mehr Bewegungen und Aktivität als weniger ängstliche. Als Grund für das Verhalten der Patienten wurde die soziale Kontrolle im Behandlungszimmer durch Helferin und Zahnarzt angeführt. Die Beeinflussung des eigenen Verhaltens des Patienten mit dem Wunsch, im Zahnbehandlungsstuhl sozial erwünscht zu agieren, führt häufig zu einer Fehleinschätzung der wirklich vorhandenen Angst.

  • 1. stark negativ: Verweigerung der Behandlung, nach eigenen Aussagen extreme Angst, sehr nervös, Inspektion der Mundhöhle lässt der Patient nur ungern über sich ergehen.
  • 2. geringf. negativ: geringe Ablehnung, geringe bzw. mittlere Angst, nervös, Inspektion ohne Probleme möglich.
  • 3. geringf. positiv: vorsichtige Akzeptanz der Behandlung, Fragen oder Verzögerungstaktik, mittlere Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt
  • 4. stark positiv: gutes Verhältnis zum Zahnarzt, keine Zeichen von Angst, Interesse an der Behandlung und angemessener, verbaler Kontakt