Kontakt

Primär anxiolytische Verfahren

Die primär anxiolytischen (angstlösenden) Therapien sind vor allem dann erforderlich, wenn sich der ängstliche Patient unter Lokalanästhesie nicht behandeln lässt. Dabei muss unterschieden werden, ob die Anxiolyse wie bei den medikamentösen Verfahren nur kurzfristig ist (aber eine zahnärztliche Therapie erlaubt), oder ob ein langfristiger Angstabbau und eine Heilung von der Angsterkrankung möglich sind.

Medikamentöse Verfahren

Trotz der Möglichkeit der Schmerzausschaltung durch Lokalanästhesie ist es vor allem bei Patienten mit einer Angsterkrankung meistens nicht möglich, einen Notfalleingriff ohne ergänzende Maßnahmen durchzuführen. Abgesehen davon können durch den Stress, den der Patient während der Behandlung empfindet, Komplikationen auftreten, die durch anxiolytische medikamentöse Verfahren vermieden werden können.

Nach Schwenzer und Grimm (1988) versteht man unter Prämedikation jegliche medikamentöse, meistens ambulante Vorbehandlung, die geeignet ist, Angst und Erregung zu reduzieren, die Schmerzschwelle heraufzusetzen und vegetative Funktionen zu dämpfen.

Als Applikationsart der Medikamente steht im deutschen Sprachraum bei der Prämedikation die orale Gabe im Vordergrund. Dabei ist die Sedierung, beispielsweise durch die Einnahme von Benzodiazepinen, ein mögliches Ziel. Auch die postoperative Schmerzlinderung durch die präoperative Einnahme eines Analgetikums stellt eine mögliche Form der Prämedikation dar.

Die Analgosedierung hingegen geht definitionsgemäß von einer intravenösen Gabe eines Analgetikums (z. B. Ketamin, Opioide) und eines Sedativums (z.B. Benzodiazepine) in Verbindung mit einer Lokalanästhesie aus. Sie umfaßt alle Pharmaka, die direkt, vor und während einer Operation appliziert werden. verbreitet. Spontanatmung, Ansprechbarkeit und Kooperativität des Patienten bleiben dabei erhalten.

Je nach Dosierung des Sedativums ist jedoch zu jeder Zeit die Gefahr der Bewusstlosigkeit des Patienten gegeben. Schwenzer und Grimm weisen daher daraufhin, dass bei jeder Analgosedierung die Möglichkeit zur Intubation gegeben sein muss. Da die meisten Zahnmediziner in der Intubation nicht geübt sind, setzt dieses Verfahren wie bei der Allgemeinanästhesie die Kooperation mit einem Anästhesisten voraus.

In der Zahnmedizin kommen ohne anästhesiologische Unterstützung in der Regel nur Medikamente in Frage, die im Rahmen einer Prämedikation oral gegeben werden können, da für andere Applikationen zu wenig Erfahrung vorhanden ist.

Substanzen der Benzodiazepin-Gruppe stellen heute die Medikamente der Wahl zur Prämedikation und Analgosedierung dar. Dabei machen Eintritt, Dauer und Intensität der Wirkung die Hauptunterschiede zwischen den verschiedenen Medikamenten dieser Stoffgruppe aus. Alle Benzodiazepine weisen dosisabhängige anxioloytische, sedativ-hypnotische, muskelrelaxierende, antikonvulsive und amnestische Wirkungen auf.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass Benzodiazepine nicht per se analgetisch wirken. Auf ein Lokalanästhetikum kann daher bei schmerzhaften Eingriffen nicht verzichtet werden. Nach Sartory (1983) und eigenen Ergebnissen (Jöhren 1999) ist es erwiesen, dass Benzodiazepine nicht helfen, langfristig Phobien und Panikstörungen abzubauen, da nach Absetzen der Medikation ein Wiederauftreten der Angststörung beobachtet werden muss.

Zur kurzfristigen Anxiolyse bei hoch ängstlichen Patienten und Patienten mit einer Angsterkrankung kann Midazolam (Dormicum®, sehr kurze Halbwertszeit von 1-3 Stunden) in der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Prämedikation eingesetzt werden.

Vor allem bei phobischen Schmerzpatienten kann so die aufwendige Allgemeinanästhesie umgangen werden. Eigene Untersuchungen in Rahmen einer klinisch kontrollierten, prospektiven Interventionsstudie haben ergeben, dass durch die orale Prämedikation die zahnärztliche Therapie von Phobikern ermöglicht wird. Um eine vollständige und schnelle Resorption zu erreichen, muss der Patient jedoch mindestens fünf Stunden nüchtern sein.

Die orale Dosierung sollte dabei 0,2mg /Kg Körpergewicht betragen (Jöhren 1999). In dieser Dosierung sind bislang keine unerwünschten Nebenwirkungen bei einmaliger oraler Gabe aufgetreten. Die Atemdepression stellt vor allem eine nicht zu unterschätzende Komplikation bei intravenöser Applikation dar.

Insgesamt wird die orale Prämedikation in Witten/Herdecke seit mehreren Jahren eingesetzt. Zwischenfälle, wie sie von Douglas und Wong für andere Applikationsarten beschrieben wurden, sind bislang nicht aufgetreten. Dennoch sind diese Ergebnisse sicher auch auf die strenge Indikationsstellung zurückzuführen und sollten nicht dazu verleiten, auf ein kontinuierliches Monitoring der kardialen- und pulpmonalen Funktionen zu verzichten.

Nach Lipp (1988b) stellt die Pulsoximetrie eine wesentliche Verbesserung und hinreichende Sicherheit bei der gleichzeitigen Verwendung von Prämedikation und Lokalanästhesie dar. Der Therapeut muss darüber hinaus in der Anwendung von Notfallmaßnahmen geschult sein und das Antidot Flumazenil (Anexate®) sollte immer verfügbar sein.


Nicht-medikamentöse Verfahren

Mit Anfang der siebziger Jahre konnte erst durch zunehmende Fallberichte (Gale 1969, Klepac 1975), dann durch kontrollierte Studien nachgewiesen werden, dass die Anwendung von verhaltenstherapeutischen Interventionen wie der systematischen Desensibilisierung zu einem andauernden Abbau der Zahnbehandlungsangst führen kann (Gatchel 1980, Mathews 1977). Erste Berichte über eine gelungene Verhaltensmodifikation stammen jedoch bereits von 1924.

Mark Clever Jones berichtet über die Verhaltensmodifikation eines kleinen Kindes, das Angst vor einem Kaninchen hatte. Das Kaninchen konnte allmählich immer näher an das Kind herangebracht werden, während dieses seine Lieblingsspeise aß (zit.n. Ingersoll 1987). Diese Technik des Ersetzens einer ängstlichen Reaktion wurde von Joseph Wolpe (1958) in den 60er Jahren weiterentwickelt.

Wolpes Methode wurde in den folgenden Jahren erfolgreich auf die Behandlung verschiedenster irrationaler Ängste angewendet. Beeindruckende Ergebnisse wurden mit dieser Technik vor allem beim Abbau der Angst vor Tieren, Schlangen, Insekten, Spritzen, Wasser, Menschenmengen und vor dem Fliegen erzielt, um hier nur einige zu nennen.

Weitere Verfahren wie z. B. kognitive Ansätze (Ellis 1974, Corah 1979, Beck 1981), Modellernen (Melamed1975) und reine Entspannungstherapien (Öst 1987) wurden sowohl als Einzeltherapie als auch in Kombination zum Angstabbau bei Phobien eingesetzt und in diversen klinisch kontrollierten Studien auf ihre Wirksamkeit untersucht.

Ziel musste es sein, die Therapie zeitlich so kurz wie möglich und vor allem langfristig so effektiv wie möglich zu gestalten. Dies führte in jüngster Zeit zur Entwicklung von sogenannten Kurzinterventionen (one-session-treatment), die De Jongh et al 1995 erstmals erfolgreich zur Behandlung von Zahnbehandlungsphobien einsetzte. Fast allen Methoden liegen folgende Prinzipien zu Grunde:

  • Der Patient wird über die anstehende Behandlung und den situativen Kontext Zahnbehandlung informiert und umfassend aufgeklärt.
  • Er begreift durch die Behandlung, dass seine Angststörung keine Ausnahmeerscheinung darstellt und er sich seiner Schwierigkeiten nicht schämen muss. Er wird schrittweise an die Behandlung herangeführt (in vivo oder in sensu), bis er gelernt hat, dass er die Situation beherrscht und seine Angststörung kontrollieren kann.

Fazit zum Erfolg psychotherapeutischer Verfahren

Die Anwendung dieser psychotherapeutischen Verfahren ist nur in enger Kooperation mit einem in der Methodik geschulten Psychologen oder Psychotherapeuten sinnvoll. Dieses setzt die Kontaktaufnahme zu entsprechenden Institutionen in Praxisnähe und die Festlegung eines gemeinsamen Therapiekonzeptes voraus.

Aus eigenen Erfahrungen wird ein Teil der Patienten trotz Terminvereinbarung beim Therapeuten in ihr Vermeidungsverhalten zurückfallen und nicht mehr in der Zahnarztpraxis vorstellig werden. Darüber hinaus ist der Therapieerfolg stark von der Compliance und der daraus resultierenden Kooperation seitens der Patienten abhängig.

Lindsay (1987) empfiehlt, den Patienten mit in die Wahl der anxiolytischen Methode mit einzubeziehen. Im Übrigen muss der Patient informiert sein, dass nach einem Misserfolg eine Weiterbehandlung unter Allgemeinanästhesie möglich ist.

Da trotzt der hier aufgeführten Verfahren ein Teil der Zahnbehandlungsphobiker nicht ohne Allgemeinanästhesie behandelt werden kann, wird sich der nächste Teil ausschließlich auf Indikationen, Kontraindikationen und Durchführung der zahnärztlichen Therapie unter Allgemeinanästhesie beschränken.

Ihre Fragen zum Thema beantworten wir gern. Sprechen Sie mit uns »